Donnerstag, 21. März 2002

Vienna Calling 5/2002

Vienna Calling 05/2002

Woche fünf in der Stadt, in der die Punks auf dem Naschmarkt
Cindy Lauper LPs kaufen. Und gleichzeitig der wohl harmlosesten
Stadt der Welt. Sogar die Junks und Straßenkinder am Schwedenplatz
entschuldigen sich, wenn sie im Weg sitzen. Und auch wenn man
nachts durch eine dunkle Gegend läuft: Ein Blick auf die
Straßenschilder – etwa Gumpendorfer Straße Ecke Blümelgasse – lässt
einen sicher sein, dass bei solchen Namen eigentlich gar nichts
passieren kann.

Im Übrigen gab es diese Woche eine Bombendrohung (bei der allerdings
nur ein Kofferraumschloss und ein handelsüblicher Feuerlöscher Schaden
nahmen) und der Permanent Council der OSCE tagte. Diese Woche habe ich
dann auch rausgefunden, warum die Sitzordnung auf den ersten Blick sehr
alphabetisch erscheint, dann aber plötzlich zwischen Albanien und Armenien
die Botschafter Deutschlands und der USA sitzen: Die Beschriftung der
"Platzkarten" ist zwar englisch, die Sortierung erfolgt jedoch nach den
französischen Namen der Länder.
Anscheinend ist das Diplomatie.

Und ich traf mich mit anderen Interns aus Deutschland, Österreich, Schweden,
Finnland, Kroatien und Griechenland im -wo wohl?- Irish Pub, das war auch sehr
unterhaltsam. Ansonsten im Osten nichts Neues.

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
Euer Christian

P.S.: Katholiken vor: Gibt es irgendeinen Grund dafür, dass jetzt
(Fastenzeit? Ostern?) Altäre, Kreuze und Jesuse mit lila
Laken und Tüchern verdeckt werden? Hilfreiche Antworten werden mit
Mozartkugeln honoriert.

P.P.S.: Diese e-Mail ist in Übereinstimmung mit den Dekreten Papst
Urbans VIII. nicht zum öffentlichen Kultgebrauch bestimmt.
Es wird gebeten Gebetserhörungen dem Büro für Heiligsprechungs-
verfahren, Argentinierstr. 45, A-1040 Wien, mitzuteilen.

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerisch Teil V-

ein Krügerl – 0,5 l (ein "Halber")
ein Seidel - 0,3 l
ein Pfiff - 0,2 l

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Mittwoch, 13. März 2002

Vienna Calling 4/2002

Vienna Calling 04/2002

Woche 4 in der Stadt unter Polizeischutz. Jedenfalls in den
letzten drei Tagen glich die Innenstadt rund um die Oper -
und somit auch die OSZE - einem Polizeifest oder der Hamburger
Innenstadt zu besten Hafenstraßen-Zeiten: Der iranische Präsident
Khatami residierte im Hotel Sacher. Sogar so kleine Häuschen mit
so herausgeputzten Soldaten drin hatten sie vor dem Hoteleingang
aufgestellt, mit Wachablösung und allem. Und auf dem Weg zum
Mittagessen musste man immer aufpassen, nicht plötzlich von einer
Wagenkolonne mit Motorradeskorte überfahren zu werden.

Aber nicht nur Khatami, sondern auch Benjamin von Stuckrad-Barre
besuchte Wien, was die Gelegenheit bot, mal wieder zu einer Lesung
zu gehen. Unterstützung holte sich Stuckrad-Barre diesmal von Christof
Schlingensief, der –alias Klaus Meine- einen Text mit Stuckrad-Barre
zusammen las. Ansonsten wusste Barre noch von einem Sänger zu erzählen,
den er in Friedrichshafen kennengelernt hatte. Der Mann hieß Johnny
Morphium und sein einziger, wenn auch nicht übermäßig erfolgreicher
Hit in den 80ern war „Homefucking kills Prostitution“. Soso.

Außerdem war am 8. März Weltfrauentag. Dieser Tag wird in den ehemals
sozialistischen Ländern richtig gefeiert und da wir viele Mitarbeiter
„aus dem Ostblock“ haben, wurde den Damen Blumen gekauft. Auch ich
musste mich beteiligen, obwohl ich mit dem Weltfrauentag bis jetzt
nicht viel am Hut hatte – aber da trifft dann wohl sozialistische
Tradition die freie Marktwirtschaft. Schließlich wurden die Rosen
so für jeden billiger.

Im Übrigen ist in Wien der Frühling eingekehrt und lässt so allerlei
Bänder flattern. Macht Spaß, in der Mittagspause bei knapp 20 Grad in
der Sonne zu sitzen und seinen Cappuccino zu trinken. Und wie ist das
Wetter bei euch?

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerisch Teil IV-

Je – Jott (10. Buchstabe des Alphabets)
Beuscheln – geschnetzelte Lunge
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Donnerstag, 7. März 2002

Vienna Calling 3/2002

Vienna Calling 03/2002

Woche 3 in der Stadt, in der Grufties Frettchen an
der Leine durch die Stadt führen.

Diese Woche nur mit einem Dialog aus der Stadt der
Endsilbenfanatiker. Ein Dialog, wie man ihn im Imbiss
an der Theke hört und in Norddeutschland bitte nicht
hören möchte:

-"Ein Schnitzerlsemmerl bitte."
-"Vom Händerl oder vom Schweinderl".
-"Vom Händerl."

Und dann, wenn man denkt, jetzt ist es endlich vorbei,
dann die letzte Frage:

-"Mit einem Gurkerl?"
-"Nein."

Und zum krönenden Abschluss:

-"Zetterl?"

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

P.S.: Es kann übrigens ganz komische Elemente aufweisen,
sich mal wieder "Der Ausnahmezustand" (The Siege, USA 1998,
R: Edward Zwick) anzuschauen - auch wenn's an sich kein
großer Film ist.

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerisch Teil III-

Putzerei - Wäscherei
Zetterl - Kassenbon
Zumdeißen? - Zum hier essen oder mitnehmen?
(wörtlich: Zum da essen?)
Fast scho wie in die USA! - Beinahe so wie in den Vereinigten Staaten von Amerika!
(zur Beachtung: USA wird auf dem U betont)
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Mittwoch, 27. Februar 2002

Vienna Calling 2/2002

Vienna Calling 02/2002

Woche 2 in der Stadt mit den unfreundlichen Kellnern
und Verkäufern.

Ein Problem mit der Währungsumstellung (die in Österreich
noch lange nicht so weit fortgeschritten ist wie in Deutschland
- was aber auch kein Wunder ist bei des unsäglichen
Wechselkurs von 13,76 ATS für einen Euro) ist, dass anfänglich
noch Probleme beim Umrechnen auftreten können. Dies führt
dann dazu, dass gerade auch auf dem Flohmarkt des Naschmarkts
Phantasiepreise verlangt werden: "Was kostet das Buch?" -
"Hmmmm.... 50 Euro!" - "Was, für ein Carl Barks Comic?" -
"OK, 40 Schilling." Hätte ja aber auch klappen können...
Was mir allerdings auch sehr ausgedacht vorkam, waren die
EUR 3,10 für den kleinen (!) Cappuchino bei Starbuck's.

Anfang der Woche fand ein Einführungskurs für neue
Mitarbeiter der OSCE statt, an dem auch viele Mission-
Member, die ins Kosovo, nach Skopje oder Baku gehen,
teilgenommen haben. Unter anderem viele Police Advisers
aus der Türkei. Wobei natürlich die Frage bleibt: Wieso
Police Advisers ausgerechnet aus der Türkei?

Sehr schlimm allerdings war "Motivation & Cross-cultural
Relationships": Sie sind zum Essen eingeladen: kommen Sie
pünktlich oder eine Viertelstunde zu spät? Ihre kosovarischen
Kollegen rauchen sehr viel im Büro: Wie gehen Sie damit um?
Wenn die Welt ein Dorf mit 100 Einwohner wäre... usw.

Aber dafür hat man gelernt, dass es ein beliebter Zeitvertreib
in Prisztina sei, im Café zu sitzen und die Bedeutung der
Beschriftungen auf den vorbeifahrenden Pajeros und Jeeps zu
erraten: UNHCR, ODIHR, CMOCC, WHO, CoE, UNMiK, OMIK, ...

Wen's interessiert: Für einen guten Einblick in die
Arbeitsathmosphäre im Büro des Representative on Freedom of
the Media sei der kurze Aufsatz "Common Values, Different
History" wärmstens empfohlen. Zu finden ist er im letzen
Jahrbuch des RFOM auf Seite 129 oder unter:
http://www.osce.org/fom/documents/books/files/yb2000_2001.pdf

(auch hier auf Seite 129).

Diese Woche außerdem zu empfehlen: Die Käsespätzle und der
Veltliner im 12-Apostel-Keller und das Suarma-Sandwich auf
dem Naschmarkt (gibt zwar beim Essen eine unglaubliche
Sauerei, schmeckt aber "urlecker").

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

P.S.: Und was gibt es eigentlich für eine Berechtigung für
einen "Brandy-Tag" (nein, nicht der Schnaps) auf VIVA?

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerisch Teil II-

Bauernkasten - Bauernschrank
heurige - diesjährige
urlecker - sehr wohlschmeckend
um 13 Schilling 50 - für 1 Euro
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Mittwoch, 20. Februar 2002

Vienna Calling 1/2002

Vienna Calling I

Die erste Woche in Wien ist schon so gut wie vorbei und
ich habe mich einigermaßen eingelebt. Das Zimmer ist ganz
nett, sehr zentral und Wien an sich natürlich eine tolle
Stadt, auch wenn ich in der Woche die meiste Zeit arbeite.
Und da Wien keine besonders moderne Stadt ist, machen die
Geschäfte auch spätestens um 18 oder 19 Uhr zu, was ein
wenig schade ist.

Bei der OSCE habe ich den "administrativen" Teil so gut wie
hinter mir, das heißt ich habe einen Computerzugang und eine
e-Mail Adresse bekommen (drucken muss ich allerdings noch im
Nachbarbüro, bei den Policeadvisors for the F.Y.R.O. Macedonia,
da die IT-Section es nicht hinbekommt, meinem Computer DIN A4
beizubringen) und habe so allmählich alle Schlüssel,
Sicherheitsausweise und Chipkarten zusammen.

Die Verkehrssprache in der OSCE ist natürlich Englisch, was am
Anfang mal wieder etwas gewöhnungsbedürftig war. Insgesamt ist
natürlich alles sehr international: Unter meinen Kollegen sind
ein Weißrusse, der in der Ukraine studiert hat, eine Amerikanerin,
eine Bulgarin, die mittlerweile Österreicherin ist, eine Polin,
die mittlerweile Engländerin ist, eine Holländerin, ein Russe,
eine Schwedin, die zur dortigen finnischen Minderheit gehört uvm.
Daher kommt es dann auch, das man zum Beispiel folgende e-Mail
erhält:
"The Vienna International Centre (VIC) and the Commissary will be
closed on Friday 22 February 2002 which is an Islamic Holiday.
It is not an OSCE Holiday, and the shops are all opened.
I wish all muslim colleagues a happy feast."

Heute war ich auf einer Sitzung des Permanent Council in der
Hofburg (die von innen weit hässlicher ist, als man von außen
vermuten würde), bei dem die ständigen Vertreter aller 55
Mitgliedsnationen wöchentlich zusammenkommen. Da dort alle
offiziellen Sprachen simultan übersetzt werden, konnte man, wenn
es auf Englisch oder Deutsch mal langweilig wurde, mit seinem
Kopfhörer immer noch sehr schön ausprobieren, wie wenig Russisch,
Italienisch oder Spanisch man tatsächlich kann.

Zu meinen Aufgaben gehört unter anderem auch der Postversand. Der
Transport der Pakete zur Poststelle im selben Gebäude erfolgt auf
höchstem technischen Niveau, nämlich in einem "geliehenen" Billa-
Einkaufswagen. (Billa ist der hier übliche Supermarkt.) Dies sorgt
auch bei den Kollegen auf den Fluren für bewunderswerte Anerkennung.

Bei einer Rundtour durch das Gebäude wurde ich dann auch darauf
aufmerksam gemacht, dass eine Toilette auf unserem Flur nicht benutzt
werden könne: Dort wird nämlich bei Nichtbenutzung der Einkaufswagen
geparkt.

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerisch Teil I-

Abverkauf - Ausverkauf
Buslenker - Busfahrer
Mistkübel - Mülleimer
(in diesem Zusammenhang ist auch das "Misttelefon", ein Service
der Stadtreinigung, erwähnenswert)
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