Dienstag, 25. Februar 2003

Vienna Calling 4/2003

Vienna Calling 04/2003

aus der Stadt auf der offener Straße Menschen mit Maschinenpistolen
erschossen werden. So ist es jedenfalls Ende Februar unweit meiner
Wohnung geschehen. Aber keine Angst, auch wenn der Balkan ja bekanntlich
am Südbahnhof beginnt, handelte es sich hier lediglich um eine Beziehungstat.
Und der Deutsche Bauunternehmer, der dabei umgekommen ist, hat wohl seinen Teil
dazu beigetragen.
Ansonsten ist Wien immer noch eine der sichereren Städte, in der nicht ich,
sondern die Punks und Junks die Straßenseite wechseln. Das kenne ich auch anders!

Diesen Vorfall in "meinem" 10. Bezirk (Favoriten) habe ich jedenfalls zum
Anlass genommen, mal einen genaueren Blick auf die einzelnen Bezirke zu
werfen. Wien ist in 22 solcher Bezirke aufgeteilt, die sich ringförmig um die
Innenstadt, den (Na? Preisfrage. Genau: den) 1. Bezirk, verteilen. Die Nummer des
Bezirkes findet sich nicht nur in der Postleitzahl (zuerst die 1 für Wien, dann der Bezirk und
dann das Postamt im Bezirk: 1010 für den ersten Bezirk, 1100 für den zehnten,
1061 für das hässlichste Postamt der Welt (genau, zwischen Süd-, Westbahnhof
und Südtiroler Platz) und so weiter,)
sondern ist auch entscheidender Anhaltspunkt für die Orientierung in der
Stadt und steht auf jedem Strassenschild. Und kein Wiener wird seinen Stadtteil mit Namen
nennen, sondern lediglich die Nummer des Bezirks anführen.

Ich wohne also im 10., einem alten Arbeiterstadtteil. Die Häuser stammen
überwiegend aus der Mitte und zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, sind
also nicht besonders schön. Die Bevölkerung setzt sich zum großen Teil aus
den fünf "A" zusammen, wie ich es mal in Stadtgeographie gelernt habe: Alte, Arme,
Ausländer, Arbeiter und Auszubildende (Studenten), wobei letztere eindeutig
in der Minderheit sind. Die Geschäfte hier haben Namen wie "Preisruine",
"10-Schilling-Shop", "Premierenkino Erotikpalast" oder "Yesim Pub" und
"Erdemir Schnitzel Imbiss".

Die Studenten wohnen eher im 9. Bezirk (Alsergrund) im Norden. Hier gibt es viele
Altbauten, Second-Hand-Läden, "Bernds Comic-Börse", das
"Österreichische Zentrum für Ausdruckstanz" und die ein oder andere Kneipe,
in der Bier und Baguette nach Zentimetern bezahlt werden, aber
auch teure Italiener oder Spezialitäten- und Weingeschäfte. Die meisten der
fünf "A" wurden also im Zuge der Gentrification durch junge Singles, Paare und
Wohngemeinschaften abgelöst.

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Herr President, wir kennen aane Sprache und diese Sprache die
haaßt Musik.
(Falco)
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Der 1. Bezirk mit dem Stephansdom in der Mitte wird begrenzt vom "Ring", der Prachtstrasse,
die 1857 von Kaiser Franz Joseph angelegt wurde, und an der entlang sich Prachtbauten
wie Oper, Parlamanent, Natur- und Kunsthistorisches Museum, Börse oder Heldentor und
Burgtheater aneinanderreihen. Die Architektur setzt sich auch im Inneren des Bezirks mit
seinen zahlreichen Kirchen fort. Kaum Wohnbevölkerung, innenstadttypisch, die Geschäfte
sind z.B. "Prada",
"Palmers", "Boss", "Paul&Shark", "Woolford" und diverse andere Flagship-Stores sowie
Banken, Versicherungen und Botschaften.

Im 6. Bezirk (Mariahilf) im Westen gibt es dann eher neue Kaufhäuser, "Gerngross",
"Saturn", "H&M", "Mango" und, je näher man zum Westbahnhof kommt, "Beate Uhse",
"Handy-Quelle" und ähnliches. Östlich der Innenstadt im 2. Bezirk, jenseits des
Donaukanals, dann viele türkische Supermärkte und Gemüseläden sowie Teile der
jüdischen Bevölerung Wiens und die jüdische Schule. Zur jüdischen Gemeinde in
Wien später mehr, das ist ein weites Feld.

Und so weiter, aber diese kleine Stadtkunde soll fürs erste einmal ausreichen.

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerische Schmankerl-

Die Wiener Bezirke:

1- Innenstadt/City 12- Meidling
2- Leopoldstadt 13- Hietzing
3- Landstrasse 14- Penzing
4- Wieden 15- Rudolfsheim-Fünfhaus
5- Margareten 16- Ottakring
6- Mariahilf 17- Hernals
7- Neubau 18- Währing
8- Josefstadt 19- Döbling
9- Alsergrund 20- Brigittenau
10- Favoriten 21- Florisdorf
11- Simmering 22- Donaustadt
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Montag, 24. Februar 2003

Vienna Calling 3/2003

...aus der Stadt in der sich leise, aber unmissverständlich der Frühling ankündigt.

Nach einem kurzen Abstecher nach Kiel zur Zeugnisübergabe und einigen unerfreulichen Erfahrungen mit der Unternehmenspolitik der Lufthansa sitze ich jetzt wieder in meinem Büro mit Blick auf die Kuppel der Karlskirche.

Apropos unerfreulich: Zum Beispiel die Haltestelle Südtiroler Platz ist, neben anderen Wiener Haltestellen, nicht gerade eine Augenweide. Also als Südtiroler würde ich mich da beleidigt fühlen. Aber vielleicht ist gerade das ja auch Absicht.

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"Wind um die Nase und Stahl in der Hose."
(Falco, in: "Geld oder Leber")
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Mein Büro also. Das heißt, eigentlich ist das gar kein echtes Büro, sondern vielmehr eine als Büro eingerichtete Wohnung. Aber was für eine. Die Lage genau neben der Oper (ich bin schon auf den Opernball diese Woche gespannt - aber nicht auf Pamela Anderson, sondern auf die Demonstrationen davor. Mal gucken, was die Wiener in dieser
Hinsicht so zu bieten haben.) ist, nunja, zentral und die Aussicht aus dem neunten Stock auf den Opernring und über die Karlskirche in Richtung Kahlenberg (bei gutem Wetter) beeindruckend. Aber seine Herkunft als Wohnung kann das Büro nicht ganz ablegen.

So kommt es dann auch, dass ich im Durchgang zur Küche sitze (den mein Vorgänger jedoch mit einem Aktenschrank zugestellt hat) und einer von uns einen Arbeitsplatz mit Badewanne hat. Achja, und das Ganze ist in den Kärtnerring-Galerien. Die Kollegen im 2. Stock (wo wir ein paar "echte" Büros haben) können immer einem Sushi-Koch bei der Arbeit zusehen. Drumherum sind Boutiqen und im Keller ist ein Supermarkt. Oder wie D. gerne sagt: "Wien mag ja ganz schön sein, aber ich arbeite in einem Einkaufszentrum!"

Ansonsten ist die Ausstattung jedoch schon professionell und vor allem die IT-Abteilung (deren interne Telefonnummer bezeichnender Weise "911" ist) gehört eindeutig zu den besseren. Alles in allem also ein prima Umfeld, in dem es Spaß macht, zu arbeiten.

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerische Schmankerl-

Die Wiener haben einen Hang, zu monophtongieren bzw. zu diphtongieren,
wo es gar nicht hingehört. Insgesamt stellen sie allerlei Unsinn mit
ihren Vokalen an. Ein paar Beispiele:

öif - elf
Haas - Haus
Hose - Hase
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Samstag, 8. Februar 2003

Vienna Calling 2/2003

Vienna Calling 02/2003

aus der Stadt, in der ein Superstar mit Schmäh ein äh... eher
ungewöhnliches Grab und außerdem diese Woche seinen fünften
Todestag hat, was der ORF mit der empfehlenswerten Reportage
"Wiener Blut" würdigte, in der man Dinge erfuhr wie zum
Beispiel: "I hab über meinem Bett einen Spiegel angebracht,
damit ich mir beim Einschlafen zuschauen kann".

Es geht also mal wieder um den Hansi Hölzel aka Falco. (Wer
sich jetzt schon auf Grund gewisser Wiederholungen gelangweilt
fühlt, möge bitte gnädig darüber hinweglesen.)

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"Was red er denn, was will er denn, was kann er denn,
was glaubts denn wer er ist?"
(Falco)
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Falco wurde am 19.02.1957 in Wien geboren, verließ mit 15 die
Schule und arbeitete eine kurze Zeit bei der Pensionsversich-
erungsanstalt für Angestellte in Wien. Auch Popstars fangen mal
klein an. Erste Bühnenerfahrungen machte er 1978 mit der
"Hallucination Company", wo er sich auch den Künstlernamen Falco
(nach dem DDR-Skispringer Falko Weißpflog) zulegte. Später spielte
er bei der Kabarett-Truppe "Drahdiwaberl" und landet schließlich
1980 mit "Ganz Wien" seinen ersten Erfolg, der prompt in Österreich
auf dem Index landet. Der wirklich große Erfolg folgt ein Jahr
später mit "Der Kommissar", der sogar in Guatemala Platz 1 erreicht.
1985 landet "Rock me Amadeus"dann auch in den USA an der Spitze der
Billboard Charts. (Die Rocker, die in dem Video zu "Amadeus" die
Leibwächter spielen, tragen Falcos Sarg übrigens 13 Jahre später
auf dem Wiener Zentralfriedhof zu Grabe.)

Falco über sein Erfolgsrezept: "Man muss nur mit dem Alphabet das
Hirn so lange kitzeln, bis es vor Lachen einen Satz macht."
Bis auf sein 1992er Album "Nachtflug" und dem posthum veröffent-
lichten Album "Out of the Dark" blieb der Erfolg dann jedoch
weitgehend aus.

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"Was vorbei ist, ist vorbei, Baby Blue."
(Falco)
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Ob Falco nun der erste weiße Rapper war sei dahingestellt, aber
viele seiner Freunde sehen in Falco auch heute noch nicht nur den
Musiker, sondern auch den Dichter. Falco selbst konnte dies unter
anderem an der Wiener Kunstakademie mit dem Kurs "Schreibt Falco
Texte? Und wenn ja, wie?" unter Beweis stellen.

Falco starb am 06.02.1998 im Alter von 40 Jahren in der
Dominikanischen Republik, als er unter Drogen- und Alkoholeinfluss
mit seinem Jeep stumpf gegen einen Reisebus fuhr.

Soviel also für dieses Mal zum unnahmahmlichen Namensgeber dieses
kleinen Reiseberichtes.

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerische Schmankerl-

"Dekadänt, dekadänt, was haaßt hier dekadänt? A wenig mondän
viellaacht."
(Falco)
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Samstag, 1. Februar 2003

Vienna Calling 1/2003

Vienna Calling 01/2003

aus der Stadt ohne Dosenpfand.
Und leider auch ohne Bügel. Für alle, die gerne Max Goldt lesen, ist die
Eigenart, dass in deutschen Fußgängerzonen vor Kleidergeschäften oftmals
Kisten mit Bügeln zum Mitnehmen stehen, ja nichts Neues. Aber was tut man,
wenn diese gute Sitte nicht zum lokalen Brauchtum gehört und kein IKEA weit
und breit ist? Wahrscheinlich muss ich doch bei H&M betteln gehen...

Der Herr Möller ist also wieder mal in Wien und auf vereinzelten Wunsch
werde ich euch in loser Abfolge aus dem Land der "Suffix-Fetischisten" (M.B.)
berichten.

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"Für mich ist ein Schnitzel immer noch ein Symbol für
Wohlstand."
(Falco)
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Meine Wohnung hier im 10. Bezirk (in Favoriten), die ich Dank freundlicher
Vermittlung ganz unkompliziert bekommen habe, ist -wie versprochen- groß,
braun und überwiegend zum Ausklappen: Betten verschwinden in Schränken und
überhaupt sind durchschnittlich 3 von 4 Wänden mit Einauschränken äußerst
platzökonomisch genutzt. Ansonsten ist es aber sehr schön, sehr zentral
und überhaupt ganz reizend.

Fernsehen habe ich auch, nämlich ORF1 und ORF2. Um das ganze Ausmaß dieser
Tatsache fassen zu könne, sei jedem geraten, mal ein paar Tage lang in
seiner Fernsehzeitung das Programm zu begleiten. Wie auch immer, dagegen
muss ich noch was unternehmen; ich werde dann berichten, wie es um die hiesigen
Kabelnetzbetreiber und die österreichische GEZ (die GIS) bestellt ist.
Oder ich fange doch noch an Klavier zu spielen. Die Nachbarn sind jedenfalls
stocktaub. Und haben Kabelfernsehen.

Im übrigen gibt es zur Zeit billige Flüge ab bspw. Hamburg nach Wien mit Air
Berlin (www.airberlin.com). Und Wien ist immer eine Reise wert.

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerische Schmankerl-

Heute kann sich jeder Mal seine eigene Meinung über dieses
Land bilden. Anbei also ein Text eines zu Unrecht längst
vergessenen österreichischen Schlagers, der hier gerade
im Radio lief (Auszug):

"Du entschuldige I kenn Di,
Bist Du net die Kleine,
Die I schon als Bua gern ghabt ha?
Die mit 13 schon kokett war,
Mehr wie es erlaubt war
Und die enge Jeans aghabt ha?
I konnt nächtelang net schlafe,
nur weil Du am Schulhof einmal mit die Augen zwinkert hast..."

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