Mittwoch, 5. Mai 2004

Vienna Calling 4/2004

Vienna Calling 04/2004

… aus der Stadt, in der ich am Samstag von einem slowakischen Schweineschlachter ein Kompliment für meinen Pullover bekommen habe. 1.200 Schweine schlachtet der in einer Nacht, sagt er. Und bekäme dafür 2.500 Euro im Monat.

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„Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?
Haben Sie das schon erlebt?
Man sieht zwar nicht wie die Bäume blühen,
welche besonders beliebt.
Hoffen sie nicht auf den Walzerklang
Oder auf Herzchen aus Gold,
Man hat sich davon schon Gott sei Dank einigermaßen erholt.“

(Rainhard Fendrich „Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?“)
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Am 1. Mai war ein historischen Datum, zumal in Wien, zumal für eine internationale Organisation: Mein Vertrag wurde verlängert. Dieses Mal gleich satte sechs Monate, also bis Ende Oktober. Was dann kommt – man wird sehen. Meine zweite Karriere als Fußballer in Japan muss jedoch also mindestens bis nächste Saison warten.

Nebenbei ist der 1. Mai natürlich auch der Tag der EU-Osterweiterung gewesen, und Wien liegt wieder einmal so sehr in der „Mitte“ wie seit k.u.k.-Zeiten nicht mehr. Was auch heißt, dass die Wiener sich keine Gedanken mehr darüber machen müssen, ob sie das östlichste Ende Westeuropas oder das westlichste Ende Osteuropas sind. Zwar beginnt der Balkan immer noch kurz hinterm Südbahnhof (oder am Rennweg, da streiten sich die Gelehrten), aber seit vorgestern hat man eben eine gemeinsame Außengrenze. Was natürlich nicht heißt, dass Grenzkontrollen abgebaut wurden, bis Schengen ist noch ein weiter Weg. Und wie bereits ein paar Mal erwähnt, sieht es in vielen der „neuen“ Nachbarländer eh heute schon besser aus als in manchen Gegenden in Wien oder Hamburg. Für den Beginn des Balkans am Südbahnhof stellt sich somit immer mehr die Frage, woher man eigentlich guckt.

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„Gut sie waren in Übersee,
In New York und L.A.,
In Rio De Janeiro wurden sie auch nicht froh.
Sie kennen Tel Aviv besonders intensiv,
Träumen von Paris,
Von Moskau träumt man ohnedies.
Doch haben sie Wien schon bei Nacht erlebt?“

(Rainhard Fendrich „Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?“)
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Die Aufnahme der zehn „neuen Nachbarn“ wurde natürlich auch in Wien gefeiert, mit einem großen Stadtfest und allerlei Aktivitäten. Unter anderem waren Zugfahrten in benachbarte Städte von Wien aus das ganze Wochenende kostenlos und so machten wir uns auf, um in Bratislava den neuen Nachbarn „Hallo“ zu sagen. Die nagelneue EU-Flagge wehte blau vor Burg und Parlament, am Donauufer spielte eine Punkband, die man bis auf den Burghügel hörte und in der ganzen Altstadt liefen Menschen mit EU-Luftballons durch die Gegend und tranken billiges slowakisches Bier.

Die Züge zwischen Wien und Bratislava waren natürlich hoffnungslos überfüllt (Wenn es schonmal was umsonst gibt…) und dort kam es dann auch zu der Begegnung mit dem slowakischen Schweineschlachter, der sturzbetrunken zu seiner Nachtschicht im Wiener Schlachthof unterwegs war. Neben meiner rumänischen Begleitung saßen da auch noch ein dicker Amerikaner aus Ohio und ein Haufen Österreicher, alles in allem also ein illustrer Haufen. Wobei unser neuer Schweineschlachternachbar allerdings mit Abstand die schillerndste Gestalt war.
Sichtlich unwohl fühlte sich dann der Gast aus Übersee allerdings, als der Metzger ihm auf die Frage, ob er eine Freundin oder Frau habe, die Hand aufs Bein legte und sagte, er stünde eher auf amerikanische Studenten aus Ohio. Auch eine Form von interkultureller Kommunikation.

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerische Schmankerl-

„In Kurz wird hier neue Eröffnung vom Internetcafe und Billigtelefonieren an die ganze Welt eröffnet.“

(Zettel im Fenster der ehemaligen Boutique/ehemaliger Laden mit Silberschmuck/ehemaliger Kinderschuhladen neben meiner Wohnung.)

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