Sonntag, 16. Oktober 2005

It's a long way to Vienna

Den weiteren Abend in der Hotelbar verbracht, um Zeit totzuschlagen. Um 01:00 wartet der Bus zum Flughafen vor dem Hotel auf uns. Bis hierher seit ich Samstag morgen um 9 aufgestanden bin 17 Stunden ohne Schlaf.

Sonntag, 02:00, Flughafen Almaty
Ein einziges Chaos, aber dank sowjetischer Durchsetzungsfaehigkeit klappt das dann doch alles. Das geht so: Unser russischer Kollege zueckt seinen Diplomatenpass, marschiert – uns im Schlepptau – einfach an allen Schlangen vorbei, greift sich einen uniformierten und sagt dass a) er Diplomat ist, b) wir seine internatonalen Gaeste und c) wir gerade von einem Abendessen beim Schwiegersohn des Praesidenten kommen, woraufhin d) der Uniformierte sich entschuldigt und uns alle passieren laesst. Klappt immer. A. sagt, das wuerde sie an ihre Kindheit erinnern.

03:30, Take-off
Kaum Verspaetung, es geht gen Heimat. Bis hierhin 19 Stunden ohne Schlaf. Beim Film fallen mir die Augen zu, aber so richtig schlafen kann man in diesen Scheisssesseln nicht.

24 Stunden wach
Irgendwo ueber Polen gibt’s Fruehstueck. Ungeniessbar, was denkt die Lufthansa sich eigentlich?

25. Stunde, FRA
Landung in Frankfurt. Ueberall kaputte Treppen, lange Schlangen. Kollege A. kommentiert: „German efficiency? Your ass!“. Recht hat er.

27. Stunde, FRA
Start nach Wien. Das Sandwich schmeckt kein Stueck nach Huhn.

29. Stunde, 10:00 Ortszeit, Wien
Landung in Wien, Koffer eingesammelt und mit Kollegin H. erstmal auf einen BigMac zu McDonalds. Mag ignorant klingen, aber so eine Dosis Tomatenketchup tut echt mal ganz gut. Kurze Spekulation, wie eine Bestellung bei McDo in Kasachstan aussieht. „Einmal das BlackBeauty Menu bitte, mit McFury, Sechser Manti und einer grossen Stutenmilch ohne Eis.“

32. Stunde, Badewanne
Tut gut.

Samstag, 15. Oktober 2005

Stutenmilch und Pferdefleisch


Die Konferenz in den letzten beiden Tagen gut ueber die Buehne gebracht. Interessante Leute, spannende Berichte und heftige Diskussionen mit Regierungsvertretern (die natuerlich davon ueberzeugt sind, dass die Medien im eigenen Land eh so frei sind… freier geht’s gar nicht!).



Abends dann offizielles Essen, bei dem der Gastgeber sich eher grosskotzig verhielt.
H.: „He acts like he owns this whole country.“
A.: „In fact, he does.“
Waehrendessen tuermte sein Assistent Pferdefleisch und Manti auf unsere Teller. Manti sind so eine Art Ravioli, gefuellt mit Lamm und eigentlich ganz lecker. Sehen nur irgendwie aus wie Hirn.

Heute haben wir ein wenig Zeit, in die Berge zu fahren, allerdings geht es da irgendwo nicht weiter, da die Strasse zwar da ist, die Bruecke ueber den Fluss jedoch einfach fehlt. Auf dem Rueckweg noch Mittag gegessen (diesmal kein Pferd) und nach einem kurzen Stopp in der Shoppingmall wieder ins Sanatorium.

Die Kluft zwischen Arm und reich ist hier wie so oft unglaublich gross. In den Malls gibt es Geschaefte von Calvin Klein oder Dior, in denen die Preise in Euro und US-Dollar ausgezeichnet sind, und eine Eislaufbahn, aber auf den Strassen in der Stadt sitzen alte Frauen ohne Zaehne, die am Strassenrand Melonen fuer ein paar Tenge verkaufen. Gleichzeitig fahren mehr Porsche Cayenne oder BMW X-irgendwas mit verdunkelten Scheiben herum als in vielen anderen Grossstaedten. Oelgeld meets gewachsene Nomadenstrukturen. Oder eher Oligarchen vs. normale Bevoelkerung.

Der Verkehr ist die Hoelle (allein die Auslegung der Verkehrsregeln gefaellt mir), es stinkt nach Abgasen und verbrannten Muell, Buergersteige oder so gibt es natuerlich nicht, aber jeder ist trotzdem im Auto, zu Fuss oder sonst wie unterwegs. Lebhaft, koennte man sagen.

Zurueck im Sanatorium noch schnell schwimmen gewesen, dann Sachen packen. War jetzt auch genug Pferdefleisch.

Mittwoch, 12. Oktober 2005

Des Apfels Grossvater


Da die Konferenz erst morgen beginnt haben wir heute ein wenig Zeit, uns die Gegend anzugucken. Im gemieteten Bus geht es zum National Square, zum Panfilov-Park (Panfilov hat dem Mythos zufolge mit seinem Regiment 1941 den Vormarsch der deutschen Armee 28 Kilometer vor Moskau gestoppt), zu einer orthodoxen Kirche und allerlei anderer Sehenswuerdigkeiten.

Eine davon war mit einer Seilbahn zu erreichen, die an sich schon eher eine Sehenswuerdigkeit denn ein vertrauenserweckendes Verkehrsmittel war. Auf dem Berg gab es dafuer dann auch ein Marmordenkmal eines Apfels zu sehen. Almaty, oder Alma-Ata, heisst naemlich uebersetzt „Grossvater des Apfels“. Wieso auch immer.

Mittagessen gab es traditionell kasachisch in einer traditionellen Jurta. Bezeichnend der folgende Dialog mit dem Kellnerl, der freundlich fragt:
„Moechten Sie Pferdemilch?“
„Nein, danke.“, antworte ich.
„Ok, dann also Kamelmilch.“, folgert er messerscharf und stellt eine Schale vor mich auf den Tisch.

Dazu gab’s dann getrocknetes Pferdefleisch und allerlei andere Leckereien. Manches gar nicht mal so schlecht.



Dann noch eine kurze Exkursion mit dem Bus durchs Wintersportgebiet (Almaty liegt am Fusse einer Gebirgskette, die bis zu ein paar tausend Meter hoch ist. Ralf Schuhmacher geht in der Gegend uebrigens jagen und der Taxifahrer von einigen von uns gestern ist – natuerlich – ein guter Freund von ihm.), Blick auf das Eisstadion und einige etwas verblasst wirkende Kinderkarussells, Picknickplaetze und andere Vergnuegungsinfrastruktur, die ihre besten Tage allerdings schon gesehen hat. Sozialistischer Charme und irgendwie eine Ahnung eines Blicks in vergangene (Sowjet-) Zeiten. Wie uebrigens oefter in Osteuropa, wenn auch in geringerem Ausmass. Oder eben in Oesterreich...

Kurz noch an einer heissen Quelle haltgemacht, die allerdings gar nicht pittoresk aus einem rostigen Rohr troepfelt und dann uebers Einkaufszentrum (Souvenirs, Souvenirs) wieder ins Sanatorium.

Kamelmilch schmeckt uebrigens gewoehnungsbeduerftig, Pferdemilch gar nicht.

P.S. Ein paar erste Bilder gibt es hier.

Dienstag, 11. Oktober 2005

Auf nach Almaty


10:20, Flughafen Frankfurt Main
Ganz schoen grosses Flugzeug.
Mit dem geht es also gleich nach Almaty, der suedlichen Hauptstadt von Kasachstan, irgendwo in Zentralasien. Ich bin gespannt. Obwohl Kasachstan laut Reisefuehrer der Ort auf der Welt ist, der am weitesten von einem Ozean oder Meer entfernt ist.

gegen 14 Uhr, irgendwo ueber dem Kaspischen Meer.
Ganz schoen kleines Flugzeug.
Der Amerikaner neben mir sitzt mir jedenfalls halb auf dem Schoss, da er kaum in seinen Sitz passt. Wenn er einschlaeft rutsch sein Ellenbogen mir immer in die Seite. Nicht angenehm.

23:40 Ortszeit, Flughafen Almaty
Gut angekommen und sicher gelandet gibt es einige Probleme, da unsere Londoner Kollegen ein Exit-Entry-Visum haben – und nicht wie eigentlich benoetigt ein Entry-Exit-Visum. Was ja auch logisch waer, da man ja um aus Kasachstan auszureisen erst einmal einreisen muesste. Naja.

Anderthalb Stunden und zwei neue (Entry-Exit-) Visa spaeter klappt die Einreise dann reibungslos, die Paesse werden gestempelt und wir photografiert. Ein Kleinbus wartet schon auf uns und bringt uns in unser Hotel – ein Sanatorium kurz vor den Mauern der Stadt. Typische Sowjetarchitektur und riesig gross, ich brauch bestimmt 10 Minuten zu meinem Zimmer.

Dienstag, 4. Oktober 2005

Vienna Calling 3/2005

...aus der Stadt, in der der Tag der Deutschen Einheit
von BMW gesponsort wird. Was dazu führt, dass man
beim Empfang nicht von den Gastgebern, sondern einem
Motorblock zwischen zwei Verkäufern begrüßt wird. Du
bist Deutschland.

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"Nach der Ausrufung der Republik wurde der Adel
in Österreich abgeschafft. An seine Stelle ist
der Besitz eines Abonnements bei den Konzerten
der Wiener Philharmoniker getreten."
(Hans Weigel, österreichischer Schriftsteller, 1908-1991)
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Meinen Peacekeepingkurs in Schmöckwitz habe ich gut
überstanden, auch wenn Hammelburg für mich als Zivilisten
zunächst etwas gewöhnungsbedürftig war. Aber da ist die
Welt wenigstens noch in Ordnung, es darf in den Büros
geraucht werden und alles andere ist auch etwas einfacher,
wie uns unser Oberstabsfeldwebel (oder so) beim Kartenlesen
etwas verzweifelt, aber sehr liebenswürdig, zu verstehen gab.

Als wir nämlich etwas ungeordnet auf einem Berg mit Blick
auf Hammelburg standen und durch eifriges Drehen von Karte
und Kompass versuchten, diese mit der Realität in Einklang
zu bringen, um die "Zielansprache" für das Krankenhaus (Keine
Angst, nur ein Beispiel!) hinzubekommen, versuchte sich der
sehr freundliche und um uns Zivilisten bemühte "Oberfeld"
(oder so ähnlich) daran, unsere Aufmerksamkeit auf ihn und
eine soeben gestellte Frage zu lenken. Nach einigen "Entschuldigen
Sie..", "Ähem!" oder "Könnte ich einmal kurz...", mit denen
er mehr oder weniger erfolglos versuchte gegen unser Geschnatter
anzukommen schüttelte er etwas ratlos den Kopf und stellte dann
fest, dass es bei seinen Soldaten irgendwie einfacher sei:
"Da sagt man einmal 'Ruhe!' und dann ist auch Ruhe."

Nicht so bei uns.

Aber diese und andere nebensächliche Annäherungsprobleme haben
wir selbstverständlich gut in den Griff bekommen und insgesamt
war ich von der Bundeswehr sehr begeistert. Neben einigen für
uns eher putzigen Ritualen wie morgendlicher Marschmusik über
Lautsprecher in der ganzen Kaserne bei Dienstbeginn (ein wenig
M.A.S.H.-esk) waren die Traingseinheiten sehr beindruckend.
Die Stabsgefreiten, die uns etwas über Minen, die erwähnte
Kartenarbeit oder andere Nettigkeiten beibringen sollten,
haben ihre Präsentationen in Aufbau, Verständlichkeit und
Zeitplan so gut gemacht, wie ich es an der Uni sogar im
Hauptstudium selten erlebt habe.

Zudem hat der Bund bei uns als "Multiplikatoren" keine Kosten
und Mühen gescheut und wir konnten uns beschießen und mit
Handgranaten nach uns werfen lassen, haben Sprengfallen zur
Explosion gebracht und abgerissene Beine versorgt (naja), dass
es nur so eine Freude war.

Mein Bedarf an auf mich gerichteten Waffen, Geiselnahmen,
Handfesseln und stundenlangem Knieen mit verbundenen Augen
ist jedoch fürs erste gedeckt. Und hoffe, dass ich davon in
der wirklichen Welt auch verschont bleibe. Auch wenn die
zwei Wochen sehr lehrreich waren.

Meinen Zivildienst bereue ich allerdings kein Stück.

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Derherrmöller im Internet, unter anderem mit weiteren
Geschichtchen aus Schmöckwitz und Hammelburg:
http://derherrmoeller.blogspot.com/
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Nächste Woche geht es nach Kasachstan, allerdings nicht, um
Minen zu suchen, sondern lediglich zu einer Konferenz. Ich bin
gespannt und werde beizeiten davon berichten.

Bis dahin, um mit den Worten "unseres" Majors zu sprechen:
And once more again: Be careful!

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerische Schmankerl-

einen Senf - etwas Senf
ein Geld - eine Geldmünze (etwa für den Einkaufswagen)
Dschenniffa - rasch, schnell (von Jennifer Rush)
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