Sonntag, 20. November 2005

Tbilisi II


Immer noch Tbilisi, der Stadt, in der die Strasse zum Flughafen nach George W. Bush benannt ist. Die Stadt bereitet sich gerade auf die Feierlichkeiten zum 2. Jahrestag der Revolution am 23. November vor und ueberall werden Buehnen aufgebaut.

Heute waren wir im Stalin Museum in Gory und auf dem Rueckweg in einem Kloster, das eine Art Las Vegas von Georgien zu sein schien. Zwar gab es dort keine Casinos und das Gebaeude war wunderschoen, aber geheiratet wurde scheinbar im 5-Minuten-Takt. Das Stalin Museum hatte schon fast etwas religioeses, quasi reliquienhaft werden beispielsweise Zigarren aus seinem Schreibtisch ausgestellt. Die Dinger sind locker 60 Jahre alt! Sein Geburtshaus wurde in den 1970ern ueberdacht und erinnert jetzt ein wenig an einen Tempel.

Der Verkehr in Georgien ist nicht so chaotisch wie in manch anderen Plaetzen, eher schlimmer. Selbstmoerderisch oder todesverachtend trifft es glaube ich ganz gut. Der Einzelhandel hat sich damit allerdings gut arrangiert, vergleichbar in etwa mit einer Wuerstchenbude auf der Ueberholspur der A7 Hoehe Kasseler Berge. Einbahnstrassenregelungen werden flexibel gehandhabt: Kommt keiner von vorne ist es eine Einbahnstrasse, kommt einer ist es keine mehr. Dies gilt nicht nur fuer Stadtstrassen, sondern auch fuer mehrspurige "Autobahnen".


Schoen sind auch hier wieder die Beschriftungen der Autos und LKW, die Rueckschluesse auf die Geschichte zulassen. Beispielsweise der Feuerwehrloeschzug, an dem immer noch "Feuerwehr Duesseldorf" und als Notruf die "112" auf der Seite steht.

Insgesamt aber wirklich eine ziemlich schoene Stadt, ich glaube hier kann man es ganz gut aushalten.

Freitag, 18. November 2005

Tbilisi I


Vienna Calling online aus der Stadt, in der Zigaretten stueckweise verkauft werden: Tbilisi (oder Tiflis). Das ist in Georgien. Obwohl, das mit den Zigaretten in Berlin anscheinend auch schon der Fall ist, habe ich mir sagen lassen.

Die Stadt ist wunderschoen, aber total heruntergekommen. Kein Wunder allerdings, wenn man einfach mal 20 Jahre nichts fuer den Unterhalt tut. Aber zu Zeiten der guten alten UdssR aber soll Tiflis die Perle ueberhaupt gewesen sein und ihren Wein und Fruechten zu verdanken.

Und vor allem in den Seitenstrassen laesst sich die vergangene Schoenheit noch erkennen, und diesmal ganz ohne Blick in die Sowjetvergangenheit, sondern eher in Form von gruenen Plaetzen, geschnitzten Erkern, schmiedeeisernen Balkongelaendern, bunten Fassaden und alten Kirchen, Moscheen und Synagogen. Allerdings sind die Erker verfault, die Balkone am Herunterfallen und die Farbe abgeblaettert.

An die Sowjetvergangenheit erinnert allerdings ein Stalin-Museum in dessen Geburtsort. Soll ziemlich bizarr sein. Da fahren wir am Samstag hin, ich freu mich schon. Mal gucken wie das ist, vielleicht koennen wir das ja tatsaechlich als Vorbild nehmen und spaeter in Oesterreich ein Hitler-Museum eroeffnen, wie mein russischer Kollege A. vorschlug…


Vom Hotelzimmer aus schaut man genau auf den Freedom Square, auf dem im November 2003 die Demonstrationen stattfanden. Ich weiss nicht, wie es vorher dort aus sah, aber heute ist dort neben dem Rathaus das Marriott , in dem wir wohnen, die Bank of Georgia und United Georgian Bank, eine Cola Billboard-Werbung und eine grosse Leinwand mit Werbespots, die ich leider nicht lesen kann. Dazwischen herrscht das uebliche Verkehrschaos und massenhaft nagelneue Polizeiwagen fahren ohne erkennbares Muster oder Ziel durch die Stadt und machen dabei allerlei Geraeusche.

Abgesehen davon hat sich allerdings wohl nicht so viel verbessert, anscheinend eher im Gegenteil. Korruption ist wohl immer noch an der Tagesordnung, Strom immer noch nicht selbstverstaendlich und Medien werden immer noch beeinflusst, lediglich von anderen Personen.

Ein weiteres Problem ist wohl die Sicherheitslage und dass man sich als Auslaender nicht besonders sicher bewegen kann in der Stadt. Mir ist das zwar noch nicht aufgefallen, aber in die kleinsten Seitenstrassen oder alleine in die Dunkelheit muss ich mich dann auch nicht bewegen. Und dank der Konferenz kommt man auch nicht so sehr zum Sightseeing wie man eigentlich wollen wuerde.

Erwaehneswert ist uebrigens auch das georgische Essen: Unglaublich umfangreiche und leckere Vorspeisen, Salate, gegrillter Kaese, Kachapuri (mit Kaese gefuelltes warmes Brot), Spinatpaste und andere Koestlichkeiten mehr. Als Hauptgericht dann beispielsweise gegrilltes Fleisch und dazu georgischer Rotwein… In Wien gibt es ein georgisches Restaurant ("Ma Creperie"), wenn jemand auf den Geschmack gekommen sein sollte...