Dienstag, 9. September 2003

Vienna Calling 10/2003

Vienna Calling 09/2003...

...diesmal aus der Gegend, in die die Wiener Sommerfrischler sich
zurueckziehen, wenn in der Stadt die Hitze mal wieder unertraeglich
wird. So eine Gegend, in der man irgendwie Lust bekommt, Minigolf zu
spielen. Die Rede ist von Bad Aussee, wo ich mich am letzten Wochenende
mit meinem Kollegen, einem Hamburger Journalisten, der dort ein sehr
schoenes Haus hat, getroffen habe, um die Arbeit an unserem Projekt
ueber Medienkonzentration in Europa ein wenig zu koordinieren.

Die Fahrt nach Bad Aussee in einem Bummelzug geht vorbei an Orten
wie Attnang-Puchheim, Traunkirchen, Obertraun-Dachsteinhoehlen oder
Bad Ischl, durch Wiesen und Waelder, vorbei an Seen neben hohen
Bergen und kleinen Doerfern voller Haeuser mit Blumenkaesten an den
geschnitzten Balkongelaendern. Auch die Bahnhoefe haben Blumenkaesten
an den Fenstern, um von einem Bahnsteig auf den naechsten zu kommen
muss man ueber die Gleise steigen und sie sind von der Art wie man
sie das letzte Mal auf irgendwelchen Klassenfahrten nach Bacharach,
Maurach oder dergleichen gesehen hat. Die Fluesse, die zeitweise neben
dem Zug hermaeandern sind unglaublich klar und sehen so aus als ob
jederzeit aus ihnen getrunken werden koennte. Der Zug macht vor jeder
Einfahrt in einen Tunnel "Tuhut" und ueberhaupt erinnert das ganze
auffallend an ein Maerklin H0 Diorama mit kleinen Faller Haeuschen.

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"Die Fahnen hoch, die Reihen fest geschlossen..."
Dorffestbesucher, Alt Aussee, 08. September 2003
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Ein ganz besonderes Kulturelerbnis war dann allerdings am Abend in
Altaussee das Fest der Freiwilligen Feuerwehr, das sich als eines
der groessten in der Gegend allseitiger Beliebtheibt erfreut.
In einem Festzelt erwartete einen Blasmusik, Wuerstchen und Haenderl,
Bier und Zirbenschnaps, sowie -nicht zu uebersehen- eine ganze Menge
von Ausseern oder solchen, die es werden wollen, in Lederhosen bzw.
Dirndln. Ich war einer von vielleicht einem Dutzend Gaesten, die nicht
einmal wenigstens Hirschornknoepfe hatten. Kultur pur also. Zu dieser
gehoert, wie ich lernte, nicht nur das "Patschen", sondern auch, fuer
einen Geburtstagstagsschuhplattler ("Hoch soll er leben...") unseren
Tisch zu entern. Da faellt es dann auch nicht mehr ins Gewicht, wenn ein
Plattlerschuh auf dem gerade gekauften Haenderlteller meines Kollegen
landet. Kultur pur eben. Vielleicht etwas urspruenglich, aber Kultur
pur.

Als dann allerdings am Nachbartisch eine Gruppe von einem guten Dutzend
Lederbehosten anfing, voellig ungeniert, von den anderen Besuchern
ungestoert, aus voller Brust und textsicher, das Horst Wessel-Lied ("SA
marschiert...") anzustimmen, wurde es Zeit zu gehen, zu Hause noch einen
schwarzgebrannten Apfelschnaps zu trinken und sich zur Ruhe zu begeben.

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"Ich weiss schon, warum ich in Altaussee keine Luft bekomme,
Es ist nicht nur wegen der Berge, es ist wegen der vielen Nazis,
die dort ansaessig sind. Die schoensten Gegenden Oesterreichs
haben immer die meisten Nazis angezogen. Salzburg, Gmunden,
Altaussee..."
(Thomas Bernhard, Elisabeth II.)
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Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerische Schmankerl-

Vorteilskarte - sozusagen Bahncard 45
Patschen - eine Art rythmisches Klatschen, hochkomplziert
und angeblich fuer alle, die sich kein Instrument
leisten koennen
Zirbenschnaps - Spezialitaet des Ausseer Landes. So heisst es auch:
"Trink ma den Zirbn ols wia a Loch,
Tog für Tog, Woch für Woch!"
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