Dienstag, 4. Oktober 2005

Vienna Calling 3/2005

...aus der Stadt, in der der Tag der Deutschen Einheit
von BMW gesponsort wird. Was dazu führt, dass man
beim Empfang nicht von den Gastgebern, sondern einem
Motorblock zwischen zwei Verkäufern begrüßt wird. Du
bist Deutschland.

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"Nach der Ausrufung der Republik wurde der Adel
in Österreich abgeschafft. An seine Stelle ist
der Besitz eines Abonnements bei den Konzerten
der Wiener Philharmoniker getreten."
(Hans Weigel, österreichischer Schriftsteller, 1908-1991)
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Meinen Peacekeepingkurs in Schmöckwitz habe ich gut
überstanden, auch wenn Hammelburg für mich als Zivilisten
zunächst etwas gewöhnungsbedürftig war. Aber da ist die
Welt wenigstens noch in Ordnung, es darf in den Büros
geraucht werden und alles andere ist auch etwas einfacher,
wie uns unser Oberstabsfeldwebel (oder so) beim Kartenlesen
etwas verzweifelt, aber sehr liebenswürdig, zu verstehen gab.

Als wir nämlich etwas ungeordnet auf einem Berg mit Blick
auf Hammelburg standen und durch eifriges Drehen von Karte
und Kompass versuchten, diese mit der Realität in Einklang
zu bringen, um die "Zielansprache" für das Krankenhaus (Keine
Angst, nur ein Beispiel!) hinzubekommen, versuchte sich der
sehr freundliche und um uns Zivilisten bemühte "Oberfeld"
(oder so ähnlich) daran, unsere Aufmerksamkeit auf ihn und
eine soeben gestellte Frage zu lenken. Nach einigen "Entschuldigen
Sie..", "Ähem!" oder "Könnte ich einmal kurz...", mit denen
er mehr oder weniger erfolglos versuchte gegen unser Geschnatter
anzukommen schüttelte er etwas ratlos den Kopf und stellte dann
fest, dass es bei seinen Soldaten irgendwie einfacher sei:
"Da sagt man einmal 'Ruhe!' und dann ist auch Ruhe."

Nicht so bei uns.

Aber diese und andere nebensächliche Annäherungsprobleme haben
wir selbstverständlich gut in den Griff bekommen und insgesamt
war ich von der Bundeswehr sehr begeistert. Neben einigen für
uns eher putzigen Ritualen wie morgendlicher Marschmusik über
Lautsprecher in der ganzen Kaserne bei Dienstbeginn (ein wenig
M.A.S.H.-esk) waren die Traingseinheiten sehr beindruckend.
Die Stabsgefreiten, die uns etwas über Minen, die erwähnte
Kartenarbeit oder andere Nettigkeiten beibringen sollten,
haben ihre Präsentationen in Aufbau, Verständlichkeit und
Zeitplan so gut gemacht, wie ich es an der Uni sogar im
Hauptstudium selten erlebt habe.

Zudem hat der Bund bei uns als "Multiplikatoren" keine Kosten
und Mühen gescheut und wir konnten uns beschießen und mit
Handgranaten nach uns werfen lassen, haben Sprengfallen zur
Explosion gebracht und abgerissene Beine versorgt (naja), dass
es nur so eine Freude war.

Mein Bedarf an auf mich gerichteten Waffen, Geiselnahmen,
Handfesseln und stundenlangem Knieen mit verbundenen Augen
ist jedoch fürs erste gedeckt. Und hoffe, dass ich davon in
der wirklichen Welt auch verschont bleibe. Auch wenn die
zwei Wochen sehr lehrreich waren.

Meinen Zivildienst bereue ich allerdings kein Stück.

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Derherrmöller im Internet, unter anderem mit weiteren
Geschichtchen aus Schmöckwitz und Hammelburg:
http://derherrmoeller.blogspot.com/
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Nächste Woche geht es nach Kasachstan, allerdings nicht, um
Minen zu suchen, sondern lediglich zu einer Konferenz. Ich bin
gespannt und werde beizeiten davon berichten.

Bis dahin, um mit den Worten "unseres" Majors zu sprechen:
And once more again: Be careful!

Bis demnächst, viele Grüße, küss die Hand und Baba,
derherrmoeller

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Kann man ein Land ernst nehmen, das aussieht wie ein Schnitzel?
-Wienerische Schmankerl-

einen Senf - etwas Senf
ein Geld - eine Geldmünze (etwa für den Einkaufswagen)
Dschenniffa - rasch, schnell (von Jennifer Rush)
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